"Komm, Grünspan! Komm, Grünspan! Er vertreibt ihm Wasser, Eiter, Blut, Augenentzündung, Eiterflu▀, Blindheit, Triefauge, die bewirkt der Gott des Fiebers und aller bösen Dinge in diesen Augen, soviel ihrer sind. - [Das sind] Worte zu sprechen über Grünspan gemischt in Honig." So schildert ein rund 1550 v. Chr. entstandener Papyrus die medizinische Verwendung eines Kup-fersalzes, Grünspan, der durch die Jahrhunderte viele weitere folgten: Die Römer im 1. Jahrhundert n. Chr. kannten Kupfertherapien unter anderem bei Wunden, Mandelentzündung und Geschwüren; der frühneuzeitliche Arzt Paracelsus übernahm sie von ihnen. Grünspan wurde sogar bis um die Jahrhundertwende mit Essig und Honig vermischt gegen Mandelentzündung eingesetzt, als sogenannter Kupfersauerhonig.
Quacksalberei? "Kupferionen können eine ganze Reihe von therapeutisch wirksamen Reaktionen unterstützen", so das Fazit des Tübinger Biochemikers Prof. Dr. Ulrich Weser, "unter geeigneten Bedingungen helfen sie beispielsweise bei der Zerstörung von Krankheitserregern."
Zu den stärksten Geschützen der körpereigenen Abwehr gehören mehrere aggressive sauerstoffhaltige Verbindungen, die von wei▀en Blutkörperchen direkt im Entzündungsherd erzeugt werden, darunter Superoxid, das Bleichmittel Wasserstoffperoxid und Hydroxyl-Radikale. Letztere sind gegen Erreger besonders wirksam und können Bakterien - etwa in entzündeten Mandeln - regelrecht 'verbrennen'.
Werden bestimmte Kupfersalze in die entzündete Stelle gebracht, kann unter der Einwirkung körpereigener Stoffe eine Mischung von einfach und zweifach ionisiertem Kupfer (Cu1+ und Cu2+) entstehen. Dieses 'Tandem' steigert dann die Produktion der Hy-droxyl-Radikale, indem Cu2+ zunächst Superoxid in Wasserstoffperoxid umwandelt, das dann durch Cu1+ in die aggressiven Radikale gespalten wird.
Wie Weser herausfand, ist Cu2+ inaktiv, wenn es von hochmolekularem Eiwei▀ fest umschlossen wird. Verbunden mit kleinen Molekülen wie Aminosäuren oder Essigsäure zu sogenannten Komplexen kann es jedoch seine biologische Wirkung entfalten. Tatsächlich liegt das Kupfer in vielen historischen Arzneien zusammen mit solchen Stoffen vor.
"Immer wieder bin ich erstaunt", bekennt Weser, "wie gut die antiken Ärzte beobachtet und die ihnen zur Verfügung stehenden Wirkstoffe genutzt haben".
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